Wochenthema: Leben im Mittelalter

Spielszene: Kein Platz mehr für Bäuerin Adelheid auf dem Marktplatz der Stadt

„Steh auf!" Die Bäuerin Adelheid rüttelt den achtjährigen Konrad. „Komm, steh auf!" Der Junge blinzelt schläfrig und murmelt: „Es ist doch noch stockfinster, Mutter," dann dreht er sich zur Seite um und ist schon wieder eingeschlafen. Seine Mutter rüttelt ihn von neuem. „Steh auf, Junge! Willst doch mit zur Stadt!" Konrad fährt von seinem Lager auf. „In die Stadt?" Fast hätte er es vergessen. Die Mutter will Milch, Eier, Butter, Käse und den Eimer Honig zum Markt bringen, und er darf heute das erste Mal mitfahren. Noch vor Tagesanbruch rumpelt der bäuerliche Ackerkarren aus dem Dorf. Dann geht es auf der Landstraße stadteinwärts. Der Weg ist vom letzten Regen aufgeweicht, ausgefahren, voller Steine und Pfützen. Zum Glück leuchtet der Mond, und die beiden können die schlimmsten Löcher umfahren, sonst wären die Eier im Korb längst zu Bruch gegangen. Der kleine Konrad müht sich sichtlich ab, den Karren ganz alleine zu schieben.
Sie treffen viele Bauern, die ebenfalls zur Stadt wollen. Meistens sind sie mit Karren unterwegs, doch manche tragen auch nur Kiepen auf dem Rücken.
Es wird hell. Die Bauern nähern sich der Stadt. Sie durchfahren ein Stück Wald, kommen an einem Wachturm und am Galgenberg vorbei. Dann liegt die Stadt mit ihrer Mauer, den Türmen und Toren vor ihnen. Zwischen Wiesen und Gärten rollen die Karren zum Stadttor. Das Fallgitter ist heute hochgezogen. Ein hitziges Gedränge kann man da beobachten. Jeder will der erste sein, um in die Stadt eingelassen zu werden. Es hat sich eine lange Reihe mit Bauernkarren gebildet, viele sind mit Kornsäcken beladen.
Konrad reiht sich mit seiner Mutter in die Schlange ein, sie müssen warten, bis sie vorgelassen werden. Endlich sind sie dran. Doch der Torwächter blickt abweisend auf sie herab, er ist dabei, das Tor zu schließen. „Schluss für heute," knurrt er, „es sind genug Bauern in der Stadt! Die Stände auf dem Markt sind alle vergeben. Für heute hat's keinen Zweck mehr, dass ihr wartet. Oder seid ihr in der Lage, zwei Silberlinge Zoll zu zahlen?" Die Bäuerin schüttelt den Kopf. „Dann macht, dass ihr nach Hause kommt!" Zuletzt ist seine barsche Stimme ganz laut und herrisch geworden, man konnte direkt Angst bekommen. Der kleine Konrad versteckt sich zitternd hinter seiner Mutter und schielt nur noch vorsichtig hinter ihrem Rockzipfel hervor. „Das ist mir ja in meinem ganzen Leben noch nicht passiert, dass ich nicht zum Markt eingelassen werde! Wie gibt es denn so was! Seit drei Stunden ist man auf den Beinen! Der hat ja keine Ahnung, wie teuflisch schwer so ein voll bepackter Karren ist, und nun will er uns einfach abweisen. Wenn das der Marktrichter wüsste, der würde mir bestimmt Recht geben."
Glaubt ihr auch, dass der Marktrichter in diesem Streitfall für die Bäuerin Adelheid entschieden hätte?
Inzwischen hatte sich die Bäuerin Adelheid etwas beruhigt. Wie konnte sie nur ihre Waren loswerden und dabei wie immer gutes Geld verdienen? Von dem Erlös musste sie eine Axt beim Schmiedemeister Henning kaufen, das hatte ihr ihr Mann aufgetragen. Doch wie sollte sie heute überhaupt zu Geld kommen? Bevor sie eine oder zwei Stunden auf die Entscheidung des Marktrichters wartete, müsste sie erst einmal versuchen, ihre Lebensmittel zu verkaufen.
Da kam ihr auch schon die rettende Idee. Es war ja ganz einfach, ein paar Meter vom Stadttor entfernt würde sie sich an die Stadtmauer stellen, ihren Karren als Stand aufbauen und dort Milch, Eier, Butter, Käse und den guten Honig feil halten. Die Leute würden vor das Stadttor kommen und wie immer bei ihr einkaufen. Ihr Honig war besonders lecker, das wusste jeder in der Stadt. Da brauchte sie keine Angst zu haben, dass sie auf ihren Waren sitzen blieb. Beim Marktrichter würde sie sich dann später beklagen, das hatte ja noch Zeit.
Gesagt, getan. Bald war es Mittag. Die Sonne schien erbärmlich heiß auf die Stadt herab.
Da trat plötzlich der Marktbüttel vor das Stadttor. Der blickte ja ganz finster zur Bäuerin herüber. Was der wohl von ihr wollte?

Worterklärungen:
Kiepe = (altengl. Cypa „Korb") geflochtener, korbartiger Behälter, der auf dem Rücken getragen wird.
Büttel = bekanntmachender Gerichtsbote

Information zur Marktordnung:

An einer Stelle steht in der Marktordnung: ...Wir verordnen, dass kein Verkauf außerhalb des öffentlichen Marktes stattfindet ... Die Leute, die wider diese Satzung handeln, werden der Stadt Geld bezahlen. Wenn einer kein Geld besitzt, wird ihm die Hand abgeschlagen werden.

Arbeitsaufträge:
Die Klasse soll drei Szenen spielen:
Szene 1: Früh am Morgen im Bauernhaus
Szene 2: Bäuerin Adelheid wird vor dem Stadttor vom Torwächter abgewiesen
Szene 3: Auseinandersetzung mit der Marktbüttel und Vorführung beim Marktrichter

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