Gedicht:  Columbus (Georg Heym)

12. Oktober 1492


Nicht mehr die Salzluft, nicht die öde Meere,

Drauf Winde stürmen hin mit schwarzem Schall.

Nicht mehr der großen Horizonte Leere,

Draus langsam kroch des runden Mondes Ball.


Schon fliegen froße Vögel auf den Wassern

Mit wunderbarem Fittich blau beschwingt.

Und weiße Riesenschwäne mit dem blassern

Gefieder sanft, das süß wie Harfen klingt.


Schon tauchen andre Sterne auf in Chören,

Die stumm wie Fische an dem Himmel ziehn.

Die müden Schiffer schlafen, die betören

Die Winde, schwer von brennendem Jasmin.


Am Bugspriet vorne träumt der Genueser

In Nacht hinaus, wo ihm zu Füßen blähn

Im grünen Wasser Blumen, dünn wie Gläser,

Und tief im Grund die weißen Orchideen.


Im Nachtgewölke spiegeln große Städte,

Fern, weit, in goldnen Himmeln wolkenlos,

Und wie ein Traum versunkner Abendröte

Die goldnen Tempeldächer Mexikos.


Das Wolkenspiel versinkt im Meer. Doch ferne

Zittert ein Licht im Wasser weiß empor.

Ein kleines Feuer, zart gleich einem Sterne.

Dort schlummert noch in Frieden Salvador.

Wochenthema: Erfindungen und Entdeckungen

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